Sonnenstrahlen über der Stadt Jena am Morgen © JenaKultur, Foto: André Gräf
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Die Stadt Jena erhält den Ehrentitel „Historische Stätte der Physik“

Die Europäische Physikalische Gesellschaft verleiht der Stadt Jena den Ehrentitel „Historische Stätte der Physik“

Die Stadt Jena wird als eine „Historische Stätte der Physik“ in den Reigen bedeutender Orte aufgenommen, an denen bahnbrechende Entdeckungen und Innovationen gelangen. Dieser Titel wurde der Stadt in feierlicher Form am 7. Juni von der Europäischen Physikalischen Gesellschaft (EPS) verliehen. Jena ist die erste Stadt, die den Ehrentitel tragen darf. Bislang wurden nur einzelne Forschungseinrichtungen, Labore oder wissenschaftliche Institute in Europa, den USA und Indien in die Liste aufgenommen.

„Seit der frühen Neuzeit leisteten Physik und Astronomie in Jena wesentliche Beiträge zur Entstehung, Festigung und Verbreitung des modernen Weltbildes. Besonders hervorzuheben sind die Beiträge zur Optik, Gravitationstheorie und Festkörperphysik, die in enger Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instrumentenbauern und Nachbardisziplinen entstanden“, so lautet der Text auf der Ehrentafel, die am Eingang des Hauptgebäudes der Physik am Max-Wien-Platz 1 enthüllt wird.

Der Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Prof. Dr. Walter Rosenthal, nennt die enge Kopplung von Wissenschaft, technischer Innovation und industrieller Produktion als Geheimnis des Jenaer Erfolgs: „Jena war weltweit einer der ersten Standorte, an dem aus dieser Verbindung ganze Innovationssysteme entstanden. Ihnen verdanken wir etwa Mikroskope, Teleskope, Foto und Filmobjektive, Messtechnik und ophtalmologische Geräte.“ Die besonders hohe Dichte von Forschungseinrichtungen zeichne den Ort aus, zudem die enge Verknüpfung von Wissenschaft, wissenschaftlichem Instrumentenbau und industrieller Fertigung.

Neben Optik ganze Bandbreite der Physik in Jena

Natürlich stehe an der Wirkungsstätte von Carl Zeiß, Ernst Abbe und Otto Schott die Optik im Mittelpunkt, sagt Prof. Dr. Christian Spielmann, der Dekan der Physikalisch-Astronomischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, die Physik in Jena nur auf die Optik zu beschränken“, so Spielmann. So habe die Festkörperphysik in der Experimentalphysik eine lange Tradition und wichtige Erkenntnisse vor allem in der Tieftemperatur- und der Halbleiterphysik geliefert. Aber die Grenzen zwischen den Bereichen verschwinden immer mehr. „Wir untersuchen neue strukturierte Halbleiternanomaterialien, zuerst mit optischen Methoden und setzen sie bei neuen Optiken ein.“ Nicht vergessen werden dürfe zudem die wichtige Rolle der theoretischen Physik und Astronomie in Jena, wo etwa für kurze Zeit der Nobelpreisträger Erwin Schrödinger gewirkt habe.

Ein „Reiseführer Physik“ hilft, die historischen Orte aufzuspüren

„Die Auszeichnung für Jena würdigt die ganz besondere lokale Innovationskultur“, sagt PD Dr. Christian Forstner, der den Fachverband Geschichte der Physik in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft leitet. Diese Innovationskultur habe ausgehend vom Kaiserreich alle Systeme überdauert und sei bis heute maßgeblich für die Erfolge des Wissenschaftsstandortes.

Christian Forstner, der gegenwärtig als Heisenberg-Fellow an der Universität Jena lehrt, hat die Bewerbung der Stadt angestoßen und mit seinem Mitarbeiter Markus Ehberger umgesetzt. Um Besuchern Jenas die Geschichte der Physik am Ort nahezubringen, erscheint zum Termin der Verleihung ein „Reiseführer Physik“, der eine Auswahl der historischen Stätten versammelt. Neben einer zentralen Gedenktafel werden die maßgeblichen Gebäude mit einem QR-Code versehen, damit sich Besucherinnen und Besucher direkt vor Ort informieren können. Die Reihe der historischen Stätten beginnt mit dem Collegium Jenense, dem Gründungsort der Universität, und setzt sich über die Sternwarte in der Schillergasse fort. Ebenso dazu zählen das Hellfeldsche Haus in der Neugasse, in dem Ernst Abbe seine Mikroskoptheorie begründete, sowie Gebäude der Jenaer Physik am Helmholtzweg und Fröbelstieg. Mit der Auszeichnung ehrt die EPS nicht nur eine räumliche Ansammlung von Gebäuden, sondern eine Stadt, einen Kommunikationsraum, in dem eine einzigartige Innovationskultur entstand und bis heute fortlebt.